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Wohnungspolitik am Gemeinwohl orientieren


SPD im Dialog: Rainer Wünsch vom Mieterbund Offenburg/Lahr e.V. sprach im SFZ Innenstadt über die Wohnsituation in Offenburg

Offenburg. Eines der drängendsten sozialen Probleme derzeit ist der Wohnungsmangel respektive der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die SPD Offenburg hatte daher im Rahmen ihrer Reihe „SPD im Dialog“ den Vorsitzenden des Deutschen Mieterbundes Offenburg/Lahr e.V., Rainer Wünsch, eingeladen, die Situation in Offenburg zu beleuchten. Gemeinderatskandidat und Vorstandsmitglied Boris Kaiser moderierte die gut besuchte Veranstaltung im SFZ Innenstadt.

Die Situation sei „sehr angespannt“, so Wünsch, 2023 habe man 1488 Rechtsberatungen gehabt.

Wohnen, so Wünsch, sei ein Grundrecht, verankert in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Deshalb setze er große Hoffnung auf die Europarats- und Kommunal-Wahlen im Juni, denn 96 der 705 Abgeordneten – die Höchstzahl – kämen aus Deutschland. So könnte Einfluss auf die Wohnungspolitik des Europarates genommen werden. Immerhin sei die derzeitige Wohnungskrise „Folge von unzureichendem politischem Handeln auf regionaler, nationaler und EU-Ebene“´, unter anderem im Bereich Gebäuderichtlinie und sozialverträglichem Klimaschutz. Problematisch, da vor allem die energetisch schlechtesten Gebäude im Fokus stünden, in denen hauptsächlich einkommensschwache Haushalte leben. Energetische Renovierungen dürften nicht zu deren Lasten gehen. Klimaschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, „die in ausreichendem Maße sozial abgefedert werden muss“, so Wünsch.. 

Deutschland sei „Mieterland“, so der Vorsitzende weiter, aber der Europarat habe festgestellt, dass ausgerechnet in Deutschland die Zahl der Sozial- und bezahlbaren Wohnungen rapide rückläufig sei. 

Der Mieterbund fordert daher ein Eingreifen in den Wohnungsmarkt und Änderungen des Mietrechts auf übergeordneter wie auf kommunaler Ebene. Offenburgs BM Hans-Peter Kopp habe einen Antrag zum Doppelhaushalt 2024/25 gestellt, in dem er für fünf Jahre ein „erneute Eigenkapitalzuführung für die städtische Wohnbau in Höhe von fünf Millionen Euro“ wünschte.

Immerhin komme den Städten eine besondere Verantwortung zu, denn nur vor Ort könne entschieden werden, wann und wieviel gebaut werden müsse. Mit „einer rein marktwirtschaftlich organisierten Wohnungspolitik“ könnten keine bezahlbaren Mietwohnungen gebaut werden, so Wünsch, weswegen es ratsam sei, kommunale Wohnungsgesellschaften zu stärken oder zu gründen. Zudem sei eine „nachhaltige und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik“ notwendig, denn Bauland sei ein „Nadelöhr“ und „Kostentreiber“. Wünsch forderte eine „aktive Bodenvorratspolitik“ von der Stadt, um Spekulationen zu verhindern, das Vorkaufsrecht in Anspruch zu nehmen und mehr Bauland auszuweisen. Der Markt habe versagt.

Hilfreich seien die Erhaltung des Bestands, Satzungen gegen Zweckentfremdung und Umwidmung oder gegen Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Opportun sei hier ein genereller kommunaler Genehmigungsvorbehalt. Denn im Seidenpfaden seien bereits etliche Wohnungen zum „Boardinghaus“ geworden, sagte ein Zuhörer. Milieuschutzsatzungen, Verlängerung der Kündigungssperrfristen bei Eigenbedarf und Modernisierungen sowie Mietspiegel waren weitere Stichworte.

Eine entscheidende Rolle komme den Städten dabei zu, leerstehende Gewerbeflächen in Wohnraum umzuwandeln. Laut Mieterbund könnten deutschlandweit so 240.000 Wohnungen geschaffen werden, fast ein Dittel der über 700.000 fehlenden, so Wünsch. 

Zum 1. Juni trete in Offenburg ein neuer Mietspiegel in Kraft, der die ortsübliche Vergleichsmiete von 7.48 auf 7.61 Euro/qm hochsetzt, eine Steigerung um 5,7 % gegenüber 2020. Hinzu kämen etwa 2.87 Euro Betriebskosten. 

Die auch in Offenburg erlassene Mietpreisbegrenzungsverordnung besage, Mieten dürften innerhalb von drei Jahren um maximal 15 statt um 20 Prozent steigen, bei der Mietpreisbremse seien es höchstens zehn Prozent Steigerung. 

Offenburgs kommunale Baugesellschaften böten über 5000 Wohnungen zu Preisen zwischen 4.80 und 6.50 Euro pro Quadratmeter an, auf eine ausgeschriebene Wohnung kämen 75 Bewerbungen. Auf dem freien Markt kostete der Quadratmeter 2021/22 10.45 Euro, ein Jahr später 10.77 Euro. Aber auch die kommunalen Gesellschaften könnten in Zukunft nur noch mit Fördermitteln bezahlbaren Wohnraum schaffen, denn die Baukosten seien im vergangenen Jahr um 15 Prozent gestiegen, um mehr als 40 Prozent seit 2019. 

Offenburg habe mit 34.000 Einpendlern eine höhere Quote als Stuttgart. Bei fehlendem Wohnraum in der Stadt könnte sich diese Zahl noch erhöhen, „die Straßen schaffen das aber nicht“. Ohne bezahlbaren Wohnraum könne man auch dem Fachkräftemangel nicht begegnen, denn niemand verlasse sein Land, wenn er nicht wisse, dass er am Arbeitsplatz eine vernünftige Unterkunft hat. Werkswohnungen seien vielleicht eine Lösung. 

Wünsch appellierte an die jetzigen und zukünftigen Gemeinderäte, das Thema Wohnungsbau besonders ernst zu nehmen. 

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